Explosionsschutz in der Holzverarbeitung

Egger etabliert mehrstufiges Sicherheitssystem

Aus der Schüttgut & Prozess 3/2025

Ein umfassendes und zukunftsorientiertes Sicherheitskonzept benötigt auf die Belange des jeweiligen Betriebes abgestimmten Explosionsschutz. Wie das in der Praxis aussehen kann und warum es sich lohnt, immer wieder nachzujustieren, zeigt das Beispiel der Egger Gruppe, die zu den international führenden Holzwerkstoffherstellern gehört. Das Egger-Werk Unterradlberg in Niederösterreich, das 1970 eröffnet wurde, nutzt ein mehrstufiges Explosionsschutzkonzept. Das drittälteste Werk der Egger Gruppe hat sich auf die Herstellung und Beschichtung von Spanplatten spezialisiert, wobei das Volumen rund 650.000 Kubikmeter pro Jahr beträgt – das entspricht etwa 40 Millionen Quadratmetern beschichteter Ware.

Zwei Mäner stehen in Arbeitskleidungvor einer groen Holzverarbeitungsmaschiene
Peter Seifriedsberger (Sales Manager, IEP Technologies), Markus Häseli (Geschäftsführer, IEP Technologies Europe) im Werk von Egger

Bei der Spänetrocknung, wo Holzspäne mit einem Restfeuchtegehalt unter drei Prozent verarbeitet werden, besteht ein erhebliches Explosionsrisiko. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) sowie die österreichische Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) warnen,dass feiner, trockener Holzstaub in Verbindung mit Luft ein hochentzündliches Gemisch bildet – insbesondere bei sehr geringer Feuchte. Um diesem Risiko effektiv zu begegnen und Gefahren durch Explosionen abzuwenden, suchte Egger für sein Werk in Unterradlberg ein strategisch passendes Schutzkonzept und wurde bei IEP Technologies in Ratingen fündig. Martin Wurzl, verantwortlich für Technik und Produktion bei Egger, betont, dass der Standort Unterradlberg im Jahr 2023 als innovativster Produktionsstandort Österreichs mit dem Titel „Smart Factory“ ausgezeichnet wurde. Diese Anerkennung sieht das Unternehmen sowohl als Bestätigung als auch als Ansporn. Egger verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz für eine automatisierte und vernetzte Produktion, bei dem Systeme zur Prozessoptimierung eine zentrale Rolle spielen – inklusive umfassender Sicherheits- und Explosionsschutzmaßnahmen.

Staubexplosionsgefahren in der Spanplattenfertigung

In geschlossenen Prozessanlagen, wie sie bei Egger in der Spänetrocknung und in den Trockenspäne-Silos zu finden sind, kann bereits ein kleiner Funke eine verheerende Ex- plosion auslösen. Da sich viele Anlagenteile in Fertigungs- hallen befinden, ist eine konventionelle Druckentlastung nach außen nicht möglich. Daher sind flammenlose Druckentlastungssysteme erforderlich, die den Explosi- onsdruck sicher abführen, ohne Flammen in die Umgebung zu leiten.

Integriertes Explosionsschutzsystem

Egger nutzt die Explosionsunterdrückungssysteme von IEP Technologies bereits seit 2001. „Als wir den Schutz ergänzen wollten, stellte sich heraus, dass IEP die beste Option bietet, weil wir auf bestehende Systeme und eine gewachsene Zusammenarbeit aufbauen konnten“, erläutert Thomas Pöll, Instandhaltungsleiter bei Egger. Ein wesentlicher Auslöser für die Erweiterung des Explosionsschutzes waren die Anforderungen der ATEX-Richtlinien, die eine umfassende Risikobewertung und wirksame Schutzmaßnahmen vorschreiben. Im Rahmen des Explosionsschutzdokumentes wurden von Egger alle Gefahrenquellen systematisch analysiert und bewertet. Neben organisatorischen und präventiven Maßnahmen zur Zündquellenvermeidung wurden flammenlose Druckentlastungsventile, Entkopplungs- und Unterdrückungssysteme gezielt als Bausteine eines ATEX-konformen Schutzkonzepts integriert. Pöll unterstreicht, dass Sicherheit und Arbeitsschutz bei Egger traditionell eine zentrale Rolle spielen. Aus diesem Grund hat sich das Unternehmen dazu entschieden, verstärkt in vorbeugende Maßnahmen zum Brand- und Explosionsschutz zu investieren.

Funken erkannt und eliminiert

Heute setzt Egger auf ein umfassendes Schutzkonzept aus sich ergänzenden passiven und aktiven Schutzsystemen. Die Explosionsunterdrückungslösung erkennt Explosionen bereits im Frühstadium und unterdrückt sie durch die schnelle Freisetzung von Löschmitteln, bevor gefährliche Druck- und Flammenausbreitungen entstehen können. Das System besteht in der Regel aus drei Komponenten: Detektor, Steuergerät und Unterdrückungsbehälter. Bei einer Zündung breitet sich der Feuerball ausgehend von der Zündortlage aus, wobei die aufgrund des Temperaturanstiegs entstehende Druckwelle der Flammenfront vorausläuft. Explosionsdruckdetektoren sind darauf ausgelegt, binnen Millisekunden auf diesen charakteristischen Druckanstieg zu reagieren. Die Explosion wird mittels Drucksensoren oder optischer Detektoren erkannt. Die Löschmittelbehälter werden unmittelbar durch ein Signal der Steuerung aktiviert. Löschmittel wird mit hohem Druck und hoher Geschwindigkeit im geschützten Behälter eingedüst. Speziell gestaltete Düsen dienen der optimalen Verteilung des Löschmittels, das den anwachsenden Feuerball umschließt und abkühlt. Dies verhindert eine weitere Verbrennung und reduziert den Explosionsdruck. Ein chemisches oder mechanisches System zur Explosionsentkopplung ist in der Auslegung von Explosionsunterdrückungssystemen fest integriert, um das Risiko einer Ausbreitung von Flammen bzw. einer Explosion auf andere angeschlossene Anlagenbereiche zu reduzieren.

Entlastung in einen sicheren Bereich

Explosionsdruckentlastungen zielen darauf ab, den bei einer Explosion entstehenden Überdruck kontrolliert abzubauen und so den Prozessbehälter vor Schäden zu bewahren. Es werden verbrannte und nicht verbrannte Stäube und Dämpfe durch die Entlastungsöffnung abgeführt. Der ausgestoßene Feuerball, der im Allgemeinen das achtfache Volumen des Behälters oder mehr erreicht, muss in einen sicheren Bereich abgeleitet werden. Da nach einer Explosionsdruckentlastung Folgebrände nicht auszuschließen sind, werden deshalb Brandschutzmaßnahmen in das Sicherheitskonzept integriert.

EVN-Ventile hingegen gewährleisten eine flammenlose, sichere Druckentlastung bei Explosionen sowohl innerhalb von Gebäuden als auch im Freien, wenn nicht ausreichend Platz für eine herkömmliche Explosionsdruckentlastung vorhanden ist. Sie bestehen aus einer Druckentlastungsvorrichtung mit integrierter Flammensperre, die die austretenden Gase während des Durchflusses abkühlt und so verhindert, dass Flammen in die Umgebung gelangen.

Relevante Normen und Regeln im Umgang mit Holzstaub

Im Umgang mit Holzstaub, etwa in Industrie, Handwerk sowie bei der Lagerung oder Verarbeitung von Holz, gelten in der EU diverse Normen, technische Regeln und gesetzliche Vorgaben, um Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit und Explosionsschutz sicherzustellen. Hierzu gehören:

  • Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 553 – Holzstaub: Zentrale Vorschrift für Tätigkeiten mit Holzstaub.
  • Technische Regeln zur Betriebssicherheit (TRBS) 3151 und TRGS 751: Vermeidung von Zündgefahren durch elektrostatische Aufladungen.
  • ATEX-Richtlinien (EU-Richtlinie 2014/34/EU und 1999/92/EG)
  • DIN EN 1127-1: Explosionsschutz: Grundlagen
  • DIN EN ISO 13849 / IEC 62061: Sicherheit funktionaler Systeme (z. B. bei Absaugtechnik)
  • DIN EN 12779: Absaug- und Filteranlagen für Holzstaub
  • BImSchG / TA Luft: Emissionsbegrenzung nach außen
  • Gefährdungsbeurteilung nach §6 GefStoffV
  • DGUV-Vorschriften (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung): DGUV Regel 109-002 – Arbeiten an Holzstaub erzeugenden Maschinen

Eine der ersten Anwendungen des EVN-Ventils bei einer Schwingsiebanlage wurde bei Egger realisiert. Aufgrund ihrer geringen Bauhöhe und dem niedrigen Schwerpunkt eignen sich die Ventile besonders für die Montage auf oszillierenden Maschinen. Sie sind die ideale Lösung, um sowohl den oberen als auch den unteren Bereich einer Siebanlage flammenlos zu entlasten.

Zudem ist es wahrscheinlich, dass sich Explosionen über angeschlossene Rohrleitungssysteme oder Zuluftöffnungen ausbreiten, so dass eine Explosionsentkopplung erforderlich ist. Hier schaffen die IsoDisc-Systeme von IEP Technologies Abhilfe, denn sie verhindern die Ausbreitung von Explosionen durch Zuluftöffnungen in den Arbeitsraum, indem sie als Rückschlagsicherung für Druck- und Flammenausbreitung wirken. Das gilt vor allem bei Mühlen, Mischern und Anlagenteilen, die Prozessluft benötigen. Zur Entkopplung explosionsgeschützter Prozessbehälter über angeschlossene Rohrleitungen kommt häufig ein Ventil als passives Schutzsystem zum Einsatz. Dies schließt sich mechanisch als Reaktion auf die ankommende Explosionsdruckwelle, ganz ohne zusätzliche Steuergeräte oder Sensoren. In den meisten Anlagenabschnitten werden zur explosionstechnischen Entkopplung jedoch Löschmittelsperren verwendet. Vor allem bei größeren Leitungsdurchmessern gelten sie als kostengünstigste Lösung.

Effiziente Wartung

Die Wartung der Systeme erfolgt jährlich durch IEP Technologies während geplanter Werkstillstände. Zusätzlich führt Egger alle zwei Monate interne Überprüfungen durch, um die Funktionalität der Systeme sicherzustellen. Die verantwortlichen Projektteams bewerten die eingesetzten Explosionsschutzsysteme durchweg positiv. Sie schätzen insbesondere die zuverlässige Funktionsweise der Systeme sowie die persönliche Unterstützung bei Prozessstörungen und Wartungsarbeiten. Unbegründete Auslösungen kommen nur sehr selten vor. Auch tatsächliche Explosionen sind durch umfangreiche Präventionsmaßnahmen äußerst selten, können jedoch im Abstand von mehreren Jahren auftreten. Die Zusammenarbeit mit IEP bietet dabei ein hohes Maß an Sicherheit. Die Wartung der Systeme verläuft unkompliziert, effizient und verlässlich.

Ein standortübergreifendes Sicherheitsreporting für alle 22 Werke fördert den kontinuierlichen Wissensaustausch und trägt zur stetigen Verbesserung der Sicherheitsstandards bei. Durch die enge Kooperation wurde zudem gewährleistet, dass die Explosionsschutzsysteme kontinuierlich an veränderte Produktionsprozesse angepasst werden konnten.

Fazit

„Die Implementierung des mehrstufigen Explosionsschutzkonzepts im Egger-Werk Unterradlberg zeigt eindrücklich, wie durchdachte Sicherheitslösungen effektiv Risiken minimieren und den Schutz von Mitarbeitern und Anlagen gewährleisten können“, erläutert Markus Häseli, Geschäftsführer bei IEP Technologies Europe. „Die Kombination aus flammenloser Druckentlastung, passiver Entkopplung und aktiver Unterdrückung und Entkopplung bietet ein State-of-the-Art-Schutzsystem, das speziell auf die Anforderungen der Holzindustrie zugeschnitten ist.

Über IEP Technologies GmbH

IEP Technologies ist ein auf aktiven und passiven Explosionsschutz von Industrieanlagen spezialisiertes Unternehmen des HOERBIGER Konzerns. Industrielle Sicherheits- und Explosionsschutz-Lösungen von IEP Technologies schützen Menschen und Anlagen. HOERBIGER ist weltweit in führender Position in den Geschäftsfeldern der Kompressortechnik, Antriebstechnik und Hydraulik tätig. 6.477 Mitarbeiter erzielten 2024 einen Umsatz von 1,466 Milliarden Euro. Die Marke HOERBIGER steht für Komponenten und Serviceleistungen mit hohem Kundennutzen für Kompressoren, Industriemotoren und Turbinen, für den automobilen Antriebsstrang sowie für vielfältige Anwendungen im Maschinen- und Anlagenbau. Industrielle Sicherheits- und Explosionsschutz-Lösungen von HOERBIGER schützen Menschen und Anlagen. Wir setzen Standards.

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