Die Geschichte vom fliegenden Partikel
Alexander Jakschik, Vorstand ULT AG, und Stefan Meißner, Unternehmenskommunikation ULT AG
Arbeits- und Mitarbeiterschutz in produzierenden Unternehmen
Es war einmal ein Partikel, das frech und frei in der Luft schwebte. Es war so klein, dass es bei jeder Luftbewegung eine neue Richtungsänderung vornahm – mal nach oben, mal nach links, mal im Kreis. Zusammen mit seinen Artgenossen bildete es eine Staubwolke, die ein Mensch mit bloßem Auge aber nicht erkennen konnte.
Was wie der Beginn einer Kindergeschichte anmutet, ist in der Realität ein kaum bekannter Fakt, der dem Thema Arbeits- und Mitarbeiterschutz in produzierenden Unternehmen eine besondere Bedeutung zukommen lässt.
Industrielle Luftschadstoffe – Staub und Rauch
Industrielle Fertigungsprozesse wie Fügen, Trennen oder jegliche Form der Oberflächenbearbeitung generieren luftgetragene Schadstoffe. Grundsätzlich entstehen folgende Arten von Luftverunreinigungen:
• Gasförmige Stoffe
• Aerosole
• Dampf
• Nebel
• Rauch
• Staub
Im Folgenden soll der Fokus auf Staub und Rauch liegen. Doch was sind Staub und Rauch?
Staub und Rauch bestehen grundsätzlich aus Partikeln, also kleinsten Teilchen in Größen zwischen 0,01 µm und <10 µm. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist zwischen 40 und 100 mµ dick.
Ihre Größe variiert je nach ihrem Ursprung. So kann beispielsweise Schweißrauch Partikel in Größen zwischen 0,01 und 1 µm beinhalten, wohingegen die Partikel in Laserrauch selten größer als 0,01 µm sind − beim Ultrakurzpuls-Lasern gar im Nanometerbereich angesiedelt sind.
Bei Staub handelt es sich wie bei Rauch um fein verteilte Feststoffe. Das Schwebevermögen und die Sinkgeschwindigkeit von Staubteilchen sind von deren Größe, Form und spezifischem Gewicht abhängig. Staub entsteht in der Produktion vor allem bei der mechanischen Zerkleinerung (z.B. Mahlen, Stampfen, Schneiden), der spanabhebenden Bearbeitung (z.B. Sägen, Fräsen, Feilen, Schleifen, Polieren, Strahlen), bei industriellen Bearbeitungsprozessen mit Lasern sowie der additiven Fertigung.
Schadstoffe, die sich lange in der Luft befinden, besonders auch schädliche Gase, die nicht oder kaum durch Absetzen abgeschieden werden, sind besonders gefährlich für Mensch, Umwelt und Maschine. Sie können sich weit verteilen und auch noch in großer Entfernung vom Produktionsort ihre schädlichen Wirkungen entfalten.
Die geringe Größe der Partikel ist dabei der Knackpunkt, sie sind unterhalb 10 µm einatembar (E-Fraktion). Ab einer Größe von weniger als 3 µm überwinden sie die Blut-Lunge-Barriere, sind also alveolengängig/alveolär (A-Fraktion) Sie können sich dadurch im menschlichen Organismus einlagern und potenziell Krankheiten verursachen.
Schadstoffausbreitung und Schwebeverhalten
Bei Partikelgrößen von weniger als 100 µm (luftgetragene Stoffe) kann davon ausgegangen werden, dass die Partikel der Luftströmung annähernd ungestört folgen. Bei größeren Partikeln nehmen der Einfluss des eigenen Impulses und der Schwerkraft stärker zu als der Einfluss einer vorhandenen Luftströmung. Diese Teilchen sind nicht mehr einatembar und sedimentieren innerhalb kurzer Zeit bei ruhender Luft.
Es gibt eine Vielzahl von Einflussgrößen auf die Schadstoffausbreitung im Raum, die in der folgenden Tabelle des Fachverbandes VDMA dargestellt sind:
Bei der Freisetzung von flüssigen und festen Stoffen (Nebel, Rauch, Staub) ist die Tröpfchen- bzw. Partikelgröße zu betrachten. Abhängig von ihrer Größe, Geometrie und ihrer Dichte sinken sie langsamer oder schneller zu Boden (Sedimentation). Feine und leichte Partikel können sehr lange in der Luft schweben. Bei gasförmigen Stoffen ist nur der Dichteunterschied zur umgebenden Luft zu berücksichtigen.
Die Freisetzung und Ausbreitung luftfremder Stoffe werden durch vier treibende Kräfte bestimmt: Dichteunterschiede, Druckunterschiede, äußere Kräfte und Diffusion. Diese führen zu unterschiedlichen Strömungsausprägungen und sind somit Ausgangspunkt und Grundlage bei der Planung und Auslegung von Erfassungseinrichtungen.
Das Sedimentationsverhalten feinster Partikel ist demnach abhängig von:
• Größe, Dichte, Geometrie und Oberflächenbeschaffenheit der Partikel
• Konzentration der Partikel im Medium
• Zusammensetzung des Mediums
• Temperatur des Mediums
• Strömungsgeschwindigkeit des Mediums und
• Elektrostatischen Wechselwirkung zwischen den Partikeln und dem Medium.
Feine Partikel sedimentieren tendenziell langsamer als grobkörnige Partikel. Partikel, die eine glatte Oberfläche besitzen, sedimentieren tendenziell schneller als Partikel mit einer rauen Oberfläche. Partikel, die eine starke elektrostatische Wechselwirkung mit dem Medium haben, sedimentieren tendenziell langsamer als Partikel, die keine elektrostatische Wechselwirkung haben.
Das Schwebeverhalten luftgetragener Schadstoffe lässt sich auch eindrucksvoll anhand der Sedimentationsgeschwindigkeiten verdeutlichen. Zum Beispiel hat ein Partikel mit einer Größe von 100 nm, der typischerweise bei der Laserbearbeitung entsteht, eine Sedimentationsgeschwindigkeit von gerade einmal einem Meter in zwei Wochen!
Auswirkungen luftgetragener Schadstoffe auf Mensch, Maschine und Produkt
Luftgetragene Schadstoffe werden prinzipiell nach Partikelgrößen unterteilt. Diese Klassifizierung fokussiert primär den Einfluss der Emissionen auf den menschlichen Organismus. So werden luftgetragene Schadstoffe nicht nur dahingehend differenziert, ob sie hirn-, nerven- oder atemwegsschädigend sind, sondern ob sie einatembar (E-Fraktion) oder alveolengängig (A-Fraktion) sind. Hierzu gibt es gesetzliche Grenzwerte gemäß DIN EN 481. Diese liegen nach TRGS (Technische Regel für Gefahrstoffe) 900 für die E-Fraktion bei 10 mg/m³ und für die A-Fraktion bei 1,25 mg/m³.
In den gesetzlichen Bestimmungen der TA Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft) darf eine Gesamtstaub-Massenkonzentration inkl. Feinstaub von 20 mg/m³ vorliegen. Dies gilt allerdings nur für gesundheitlich unbedenkliche Stäube und beinhaltet nicht die sogenannten KMR-Stoffe (karzinogen, mutagen, reproduktionstoxisch).
Neben dem möglichen Einfluss auf die Gesundheit von Mitarbeitern in fertigenden Unternehmen können luftgetragene Schadstoffe zudem die Maschinenfunktionalität beeinträchtigen − und somit auch für Fehlproduktionen verantwortlich sein − oder aber Produkte verschmutzen. Praktische Beispiele hierfür sind u.a. die Verschmutzung des „Laserauges“ oder die Spiegel einer Laseranlage durch klebrigen Laserstaub bzw. das Absetzen von korrosiven Partikeln auf einer elektronische Baugruppe.
Implikationen für Erfassung und Filterung
Es wurde dargestellt, dass luftgetragene Schadstoffe der Luftströmung annähernd ungestört folgen und sich damit weit ausbreiten können. Außerdem sind die negativen Auswirkungen auf Mensch, Maschine und Produkt bekannt.
Es handelt sich um eine Gefahr, die man nicht in jedem Fall sehen kann. Darüber hinaus treten sie Auswirkungen oft erst zu einem späteren Zeitpunkt ein. Nicht selten wird dieses Thema unzureichend behandelt.
Es ist daher von größter Bedeutung, die Schadstoffe sicher zu erfassen und zu filtern. Insbesondere ist ein hoher Fokus auf den Erfassungsgrad zu legen, der in der Regel viel zu häufig vernachlässigt wird und nicht die notwendige Beachtung findet. Zu oft wird nur über Filterklassen gesprochen. Der Gesamtwirkungsgrad eines Absaugsystems bemisst sich jedoch aus den Komponenten ‚Erfassungsgrad‘ und ‚Abscheidegrad‘.
Die nachfolgenden Grafiken zeigen das eindrucksvoll auf:
Die Auslegung der Erfassung ist daher der wichtigste Schritt für eine effiziente Luftreinigung. Dabei ist es wichtig die Hintergründe ausreichend zu verstehen oder sich entsprechend beraten zu lassen.
Es gibt am Markt unterschiedliche Erfassungseinrichtungen, die man prinzipiell in drei Bauarten bzw. Systeme unterteilt: geschlossen, halboffen und offen.
Geschlossene Systeme umschließen die Emissionsquelle allseitig. Schadstoffe werden durch Absaugöffnungen abtransportiert, Nachströmöffnungen sorgen für den Luftausgleich.
Halboffene Systeme sind Einhausungen der Schadstoffquelle mit einer offenen Seite zum Hantieren und Nachströmen von Umgebungsluft sowie einem Absauganschluss.
Offene Systeme sind Formelemente, die in unterschiedlichsten Varianten angeboten werden. Ihr Einsatz wird durch Form, Geometrie und Material definiert. Sie werden in der Regel auf/an Absaugarmen montiert, deren Einsatz ebenfalls durch Schadstoffmenge und -art definiert wird. Richtlinien und Arbeitsplatzsituation bezüglich ESD-, Brand- und Explosionsschutz können spezielle Ausführungen erfordern.
Auch der Durchmesser der Absaugarme und deren Installation – direkt auf der Filteranlage, als Tisch- oder Wandmontage, etc. – werden durch ihren praktischen Einsatz definiert. Erfassungselemente können auch an Absaugschläuchen oder -rohren befestigt werden.
Es gibt zudem weitere Aspekte, die bei der Auslegung der Erfassung berücksichtigt werden müssen
• Arbeitsplatzergonomie: Eine einfache Handhabung und ein störungsfreies Arbeiten sind
Voraussetzungen für die Akzeptanz beim Anwender
• Ausreichende Dimensionierung der Luftleistung
• Menge der pro Zeiteinheit freigesetzten Gefahrstoffe (Emissionsrate)
• Ausbreitungsrichtung,
• Ausbreitungs-geschwindigkeit,
• Abstand von der Emissionsquelle zur Erfassungseinrichtung
• Luftströmungen im Raum und deren Auswirkungen auf das Saugfeld
Zur Optimierung des erforderlichen (Erfassungs-) Luftstroms ist die Erfassungseinrichtung:
• Möglichst nahe an der Emissionsquelle zu positionieren (doppelter Abstand erfordert
vierfachen Luftstrom)
• Möglichst in der Ausbreitungsrichtung der luftfremden Stoffe anzuordnen
• Der arbeitsbedingt erforderlichen Flexibilität anzupassen
Für eine wirksame Erfassung der luftfremden Stoffe:
• Muss die Geschwindigkeit der Luft im abgesaugten Luftstrom größer sein als die Aus-
breitungsgeschwindigkeit der luftfremden Stoffe
• Sind störende Luftströmungen vom Saugfeld der Erfassungseinrichtung mit Abtrennungen
im Arbeitsbereich (z. B. Stellwände) fernzuhalten
• Sind unterstützende Luftströmungen im Raum durch die Position der Erfassungsein-
richtung zu nutzen
Außerdem spielen weitere Aspekte, z.B. die Geräuschbildung an einer Erfassungseinrichtung und die Materialeigenschaften wie elektrische Ableitfähigkeit, Temperatur- und Abrasionsbeständigkeit eine wichtige Rolle.
Filtrationsprinzipien
Nach der Erfassung der Partikel beginnt der eigentliche Filtrationsprozess. Dabei wird bei filternden Abscheidern prinzipiell in zwei Arten unterteilt: in Filtergeräte mit speichernden oder abreinigbaren Filterelementen.
• Absauganlagen mit speichernden Filterelementen werden bei niedrigen Massen-
konzentrationen von Partikeln eingesetzt. Sie bieten den Vorteil geringer Investitions-
kosten und hoher Flexibilität − entstehende Betriebskosten durch Filterwechsel sind zu
betrachten.
• Absauganlagen mit abreinigbaren Filterelementen finden ihren Einsatz vor allem bei
hohen Massenkonzentrationen. Sie bedürfen eines geringen Wartungsbedarfs und
erzeugen geringe Energiekosten. Zudem bieten die Filterelemente lange Filterstandzeiten,
d.h. müssen eher selten getauscht werden.
In der Auslegung des Gesamtsystems sind noch weitere Aspekte zu beachten, die hier exemplarisch aufgeführt sind. Denn es gilt zu beachten, ob die Stoffe folgende Eigenschaften aufweisen: Sind sie
• Brennbar oder heiß
• Explosionsfähig
• Aggressiv
• Abrasiv
In der Auslegung des Gesamtsystems sind noch weitere Aspekte zu beachten, die hier exemplarisch aufgeführt sind. Denn es gilt zu beachten, ob die Stoffe folgende Eigenschaften aufweisen: Sind sie
• Brennbar oder heiß
• Explosionsfähig
• Aggressiv
• Abrasiv
Es gibt noch weitere wichtige Parameter für die Auslegung und Effizienz eines Absaugsystems. So spielen Stofftransportgeschwindigkeiten und Erfassungsgeschwindigkeiten weitere wichtige Rollen, um eine Absaug- und Filteranlage ökonomisch und nachhaltig zu betreiben.
Die Reise des fliegenden Partikels
… geht also nur zu Ende, wenn sämtliche Parameter und Einflüsse der richtigen Beseitigung beachtet und in eine Gesamtlösung eingebracht werden. Nur so können luftgetragene Schadstoffe optimal aus der Umgebungsluft in produzierenden Unternehmen beseitigt und Mitarbeiter, Anlagen sowie Produkte nachhaltig geschützt werden.
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Am Göpelteich 1
02708 Löbau
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