Industrie 4.0 für die Prozessindustrie
Lange war Industrie 4.0 kaum mehr als eine Vision. Jetzt hauchen erste Anwendungen der Idee Leben ein. In der Praxis zeigt sich der Nutzen der digitalen Services. Und Lösungen, die ganz auf Internet-Technologien basieren, erschließen völlig neue Einsatzfelder.
„Mein Smartphone ist schon lange so etwas wie die Schaltzentrale meines Alltags“, sagt Julia Grether. Die 29-Jährige nutzt den intelligenten Begleiter zum Kommunizieren, um das Wetter zu checken, Zugtickets zu buchen, die eigenen Schritte zu zählen und zu Hause das Licht zu regeln. Nach einem Studium in internationaler Unternehmensführung hat sie die Vorteile der digitalen Vernetzung auch beruflich im Blick: Sie arbeitet seit einem Jahr als Business Development Managerin an Netilion mit – dem IIoT-Ökosystem von Endress+Hauser.
„Mein Ziel ist es, den Komfort und die Leichtigkeit, die die Digitalisierung im Privatleben bietet, mit Netilion auch in die Prozessindustrie zu bringen“, sagt Julia Grether. „Das macht Prozesse effizienter und sicherer.“ Herzstücke sind die Netilion Services – webbasierte Anwendungen, die sämtliche Feldgeräte und ihre Daten von überall her zugänglich machen. Die Apps helfen Anwendern zum Beispiel, alle Instrumente einer Anlage zu erfassen und zu verwalten, gerätebezogene Dokumente zu organisieren oder den Gerätestatus zu überwachen und bei einer Störung richtig zu handeln.
Alle Feldgeräte im Blick
„Die Netilion-Apps lassen sich einfach bedienen und liefern sofort einen konkreten Mehrwert“, sagt Julia Grether. Manchmal sorgen sie auch für ein großes Aha-Erlebnis, wie beim deutschen Netilion-Pilotkunden Salzgitter Flachstahl GmbH: Bei der digitalen Erfassung der im Walzwerk installierten Messgeräte tauchten mehr Instrumente auf als erwartet – und zusätzlich wurden einige dieser Geräte als ersetzungsbedürftig erkannt.
Mit Netilion kann ein vollständiger Überblick über die installierte Basis erreicht werden. Digitale Zwillinge der oft schwer zugänglichen realen Feldgeräte werden dafür in der Cloud verfügbar gemacht und sind dann von beliebigen Endgeräten aus einsehbar – am PC im Büro ebenso wie auf dem Industrie-Tablet oder sogar dem Smartphone des Technikers. Dieser hat vor einem Einsatz die Anleitung zur Problembehebung gleich zur Hand. „Der Anlagenbetreiber kann mit dem von Netilion generierten Wissen Kosten sparen – durch eine vereinfachte Instandhaltung und eine höhere Anlagenverfügbarkeit“, sagt Julia Grether.
Sicherheit rund um die Uhr
Darüber hinaus erschließt Netilion auch neue Anwendungen jenseits der klassischen Prozesstechnik. Endress+ Hauser schnürt dafür günstige Pakete mit Industrie-4.0-fähiger Messtechnik und digitalen Anwendungen, um einfache messtechnische Aufgaben zu lösen. Die Einrichtung ist unkompliziert: Die vorkonfigurierten Komplettpakete enthalten die Sensoren samt Montagematerial und den Transmitter, dazu ein Abo für den digitalen Service. Ein Beispiel hierfür sind die Netilion Smart Systems für die Gewässeranalyse, die zurzeit in zwei Schweizer Gemeinden im Piloteinsatz sind.
In Giebenach bei Basel wird via Netilion ein Aufzuchtbecken für Lachse überwacht. Früher gab es dort nur punktuelle Wasserkontrollen; jetzt ist ein kontinuierliches Monitoring von Sauerstoff-, Nitrat- und Ammoniumwerten möglich. Die Gemeinde Baltschiederbach im Kanton Wallis nutzt ein ähnliches System, um die Wasserqualität eines Bachs zu analysieren. Dort werden Trübung, Leitfähigkeit und pH-Wert gemessen. Die Mitarbeiter sehen die Messwerte immer auf ihren Smartphones; bei Abweichungen vom Sollwert verschickt das System eine Alarmmeldung. Zudem informiert es über den Zustand der Messfühler. „Das Smart System gibt uns Sicherheit in unserer täglichen Arbeit“, sagt Fischereiaufseher Daniel Zopfi. „Wir wissen immer, unter welchen Bedingungen die Fische aufwachsen, und können diese durch gezielte Eingriffe verbessern.“
Eine weitere Paketlösung bietet Endress+Hauser für die kabellose Fernüberwachung von Füllständen mobiler oder abgelegener Kunststofftanks. Sie enthält den neuen batteriebetriebenen Radar-Füllstandtransmitter Micropilot FWR30, der seine Messergebnisse über eine integrierte Mobilfunk-Schnittstelle übermittelt. Die Daten werden mit dem cloudbasierten Monitoring-System Netilion Value dargestellt und überwacht. „Mit dem FWR30 haben wir erstmals eine vollständig auf IIoT-Technologie basierende prozesstechnische Lösung kreiert“, sagt Julia Grether.
Auf dem Weg zur vorausschauenden Wartung
Auch für klassische Prozessanlagen wird es weitere neue Anwendungen geben. Eine in der Entwicklung befindliche App ist Netilion Predict. Sie soll kontinuierlich Prozess- und Geräteparameter auswerten, um so Kalibrierund Wartungsintervalle zu optimieren und die Anlagenverfügbarkeit zu erhöhen. Julia Grether: „Unser Ziel ist, dem Anlagenbetreiber im Klartext mitzuteilen, wie lange seine Messstelle noch verlässlich arbeitet.“
Die technische Entwicklung schreitet ebenfalls voran: „Parallel werden wir die Kommunikationsfähigkeit der Feldgeräte ausbauen“, sagt Julia Grether. Um die Vielzahl üblicher Feldbus-Standards abzudecken, werden weitere Datenschnittstellen zu den Feldgeräten hinzukommen und ein neuer Adapter wird HART-Geräte bluetoothfähig machen. Zudem sind nach dem Vorbild des Micropilot FWR30 weitere Sensoren geplant, die ab Werk „Netilion-ready“ sind – also Daten ohne separate Schnittstellenbausteine direkt in die Netilion-Cloud schicken.
Über Endress+Hauser
Die Endress+Hauser (Deutschland) GmbH+Co. KG wurde im Juli 1989 gegründet. Die deutsche Vertriebsgesellschaft mit Zentrale in Weil am Rhein gehört zum Schweizer Familienunternehmen mit Stammsitz in Reinach. 134 Gesellschaften, darunter Herstellerwerke, Service- und Vertriebsgesellschaften und Logistikzentren unterstützen in 47 Ländern ihre Kunden. Die Endress+Hauser Gruppe ist ein weltweit führender Anbieter von Messgeräten, Dienstleistungen und Lösungen für die industrielle Verfahrenstechnik. Geboten werden Prozesslösungen für Durchfluss-, Füllstand-, Druck- und Temperaturmessung, für analytische Messungen sowie Messwertregistrierung und digitale Kommunikation und optimieren so Prozesse hinsichtlich wirtschaftlicher Effizienz, Sicherheit und Auswirkungen auf die Umwelt.
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