Automatisierungstechnik für die 24/7-Algenproduktion

Nahe der kroatischen Hauptstadt Zagreb hat die Firma Phyox eine zukunftsweisende Produktionsanlage für Mikroalgen gebaut. Seit Ende 2021 können dort in kommerziellem Maßstab Algen produziert werden. Als Partner mit Know-how im Bereich Messtechnik und Automatisierungslösungen lieferte Endress+Hauser neben der Prozessinstrumentierung auch die Automatisierungstechnik mit Remote-Zugriff für die Anlage und sorgt damit für eine reibungslose Produktion zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Industriehalle, links sind mehrere Algenproduktionslinien, weiße rechteckige Tröge auf metallenen Beinen, die durch Rohre verbunden scheinen. Es ist hell in der Halle.
Algenproduktionslinien: zwischen den Plattenwänden der Photobioreaktoren befindet sich die LED-Beleuchtung. Jedes Modul hat eine Luft-/CO2-Zufuhr.

Vor einigen Jahren noch befasste sich Bernd Hermann, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der von deutschen und kroatischen Investoren gegründeten Aktiengesellschaft Phyox, mit der Garnelenzucht – und damit verbunden mit der Produktion eines geeigneten Futtermittels. Als er sich mit Mikroalgen näher auseinandersetzte, erkannte er das riesige Potenzial dieser photoautotrophen Einzeller als Lebens-, Nahrungsergänzungs- und Futtermittel. Schon bei der Entwicklung der ersten Pilotanlagen konnte Endress+Hauser Kontakte zu führenden Köpfen bisheriger erfolgreicher Projekte wie das Hamburger Algenhaus vermitteln und Know-how daraus einbringen

Algen – potenzieller Superstoff des 21. Jahrhunderts

Da Mikroalgen eine deutlich größere Wachstumsrate als höhere Pflanzen vorweisen, eignen sie sich hervorragend für eine nachhaltige und ressourcenschonende Produktion von Biomasse und spezifischen Stoffen. Dazu zählen vegane Omega-3- und -6-Fettsäuren, natürliche Farb- und Mikronährstoffe sowie essenzielle Aminosäuren. So können Algen einen Proteinanteil von bis zu 50 % aufweisen. Weitere aktuelle Forschungsgebiete sind die Nutzung von Algen zur Biokraftstoff-Herstellung oder die Bindung von CO2, welches in industriellen Prozessen als Abfallprodukt entsteht.

Der Algenproduktionsprozess

Die patentierte Technologie der Firma Phyox setzt bei der Lichtquelle auf LED-Technik statt Sonnenlicht und kann damit das Wachstum der Algen besser steuern und durch Pulsung stimulieren. Dabei ist die Beleuchtung seitlich zwischen den Plattenwänden angebracht, die Frequenz der Pulsung wird an den jeweilig zu produzierenden Algenstamm angepasst. In den Platten-Photobioreaktoren schlängelt sich die Strömung im Auf und Ab mäanderförmig durch die Anlage. Zum Schluss fließt die Algensuspension in einen offenen Auslaufbehälter und wird von dort im Kreislauf wieder zum Anfang der Anlage gepumpt. Damit ist die Produktion rund um die Uhr für 365 Tage im Jahr möglich – unabhängig von den jahreszeitlichen Schwankungen und dem Tag-Nacht-Rhythmus, denen das Sonnenlicht als Energiequelle unterworfen ist. Zudem ist im Vergleich zu geschlossenen Röhrensystemen der Reinigungsaufwand deutlich geringer. Die Anlage in Kroatien besteht aus elf unabhängigen Produktionslinien mit einer Kapazität von 20 – 30 t Trocken-Biomasse im Jahr. Als bevorzugte Algenart wird die Chlorella-Alge hergestellt. Neben der Beleuchtung muss die Dosierung von Phosphor, Nitrat, Spurenelementen und CO2 präzise geregelt werden. Da die Wasserqualität definiert und permanent überwacht wird, liefert der Prozess nach Ernte und Trocknung ein hochreines Endprodukt. Die gesamte Anlage befindet sich in einer extra dafür gebauten Fabrikationshalle. Im Vergleich zur Produktion in Asien, die in offenen Becken im Freien erfolgt und vorhandenes Oberflächenwasser nutzt, kann Phyox durch die permanent konstanten und überwachten Produktionsbedingungen eine gleichbleibend hohe Produktqualität erzielen, die frei von schädlichen Umweltstoffen und Schwermetallen ist. Immer mehr Abnehmer aus der weiterverarbeitenden Kosmetik-, Lebens- und Futtermittelindustrie schätzen diese verlässlichen Produkteigenschaften.

Messtechnik und Automatisierung der Anlage

Um den Wachstumsprozess sicher zu steuern, muss die Konzentration des CO2 überwacht werden. Dieses erfolgt indirekt über die Messung des pH-Werts mit dem pH-Sensor CPS71E. Dank der digitalen Memosens 2.0-Technologie bietet dieser Sensor eine erweiterte Speicherung von Kalibrier- und Prozessdaten und damit die perfekte Basis für eine vorausschauende Wartung. Die Vorkalibrierung im Labor und der schnelle Sensortausch vor Ort maximieren die Prozessbetriebszeit. Die Zellkonzentration überwacht der Trübungssensor Turbimax CUS52D. Ferner wird als dritter Schlüsselparameter die Leitfähigkeit mittels Memosens CLS82D gemessen. Alle drei Sensoren sind über Eintaucharmaturen im Auslaufbecken installiert und mit dem Mehrkanal-Messumformer Liquiline CM444 verbunden. Die Fließgeschwindigkeit, mit der sich die Algensuspension durch die Anlage bewegt, erfasst der magnetisch-induktive Durchflusssensor Promag 10D.

Jeder Linie wird einmal täglich etwa ein Drittel des Gesamtvolumens zur Ernte entnommen und einem Separator zugeführt. Der Füllstand der Anlage wird über zwei Grenzstandschalter Liquiphant FTL31 geregelt und entsprechend Frischwasser aus einer Osmoseanlage nachgeführt. Im Anschluss erfolgt die Düngerdosierung. Diese beiden Schritte erfolgen vollautomatisiert. Die Ventile zur Luftversorgung und zur Ernte der Anlage werden durch den Bediener gesteuert. Im Lieferumfang der Automatisierungstechnik war daher ein Schaltschrank enthalten, der das Bedienpanel, die Steuerungstechnik und ein DSL-Modem für den Remote-Zugriff beherbergt. So ist eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Prozesses auch von einem anderen Ort aus möglich.

Zusammenfassung

Weil man mit der Produktionsleistung und der reibungslosen Funktion der Anlage zur Mikroalgen-Produktion sehr zufrieden ist, werden aktuell Planungen zur Anlagenerweiterung durchgeführt. Ferner hat das Verfahren, welches Phyox zur Algenproduktion anwendet, auch Interessenten auf den Plan gerufen, die dieser Technologie große Chancen zur Bindung von CO2 als Abfallprodukt von Industrieprozessen einräumen, erläutert Bernd Hermann. Auch laufen viele Versuche, die Energieeffizienz zu verbessern, beispielsweise durch den Einsatz von Photovoltaik inkl. Stromspeicherung zur Deckung des Strombedarfs der Anlage. Ebenso wird der energieintensive Erntevorgang weiter optimiert.
Endress+Hauser hat sich seit den Tagen der Pilotversuche als verlässlicher Partner bewiesen. Neben dem großen messtechnischen Know-how war auch die Kompetenz des Unternehmens ausschlaggebend, das Engineering zur Steuerung der Anlage in das Projekt mit einzubringen und als global agierendes Unternehmen den gleich guten Support in Kroatien wie in Deutschland zu bieten, wo die Pilotanlagen aufgebaut worden sind. Mit der neuen Anlage hat Phyox auf alle Fälle einen Weg eingeschlagen, um das Potenzial von Mikroalgen als Superstoff des 21. Jahrhundert zu bergen.

Über die Endress+Hauser Gruppe

Endress+Hauser ist ein global führender Anbieter von Mess- und Automatisierungstechnik für Prozess und Labor. Das Familienunternehmen mit Sitz in Reinach/Schweiz erzielte 2019 mit insgesamt 14.000 Beschäftigten mehr als 2,6 Milliarden Euro Umsatz.

Geräte, Lösungen und Dienstleistungen von Endress+Hauser sind in vielen Branchen zu Hause. Die Kunden gewinnen damit wertvolles Wissen aus ihren Anwendungen. So können sie ihre Produkte verbessern, wirtschaftlich arbeiten und zugleich Mensch und Umwelt schützen.

Endress+Hauser ist weltweit ein verlässlicher Partner. Eigene Vertriebsgesellschaften in 50 Ländern sowie Vertreter in weiteren 70 Staaten stellen einen kompetenten Support sicher. Produktionsstätten auf fünf Kontinenten fertigen schnell und flexibel in höchster Qualität.

Endress+Hauser wurde 1953 von Georg H. Endress und Ludwig Hauser gegründet. Seither treibt das Unternehmen Entwicklung und Einsatz innovativer Technologien voran und gestaltet heute die digitale Transformation der Industrie mit. 8.000 Patente und Anmeldungen schützen das geistige Eigentum.

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