Infrarot sichert Zementwerke ab

Aus der Sonderausgabe Fire-and-explosion der Schüttgut & Prozess 6/2023

Für die Klinkerherstellung braucht es sehr hohe Temperaturen. Deshalb ist es notwendig, dass Unternehmen Brennstoffe vorhalten, die die entsprechende Energie liefern können. Das Problem dabei: Was im Herstellungsprozess brennen soll, ist auch sonst brand- gefährlich. Das Zementwerk von Heidelberg Materials im baden-württembergischen Schelklingen nutzt deshalb Infrarot-Wärmebildkameras zur intelligenten Brandfrüherkennung.

In einer Industriehalle liegt rechts vorn brennbares Gut. Hinten links ist ein Greifarm, der das Schüttgut bewegen kann.
In Zementwerken kommen Ersatzbrennstoffe zum Einsatz. Eine sichere Brandfrüherkennung ist von hoher Bedeutung.

1.450 Grad Celsius wird es bei der Klinkerherstellung im Drehrohrofen heiß. Klinker ist ein industriell hergestelltes Mischgestein aus gebranntem, entsäuertem Kalkstein, Ton und Sand, das als Bindemittel den Hauptbestandteil von Zement darstellt. Klassischerweise werden für den Brennvorgang sogenannte Primärbrennstoffe wie Kohle verwendet. Das erklärt auch einen Teil der hohen CO2-Bilanz der globalen Zementindustrie, die einen Anteil von bis zu acht Prozent am weltweiten Kohlenstoffdioxidausstoß ausmacht.

Um den Anteil der Primärbrennstoffe und damit auch den CO2 -Ausstoß bei der Klinkerherstellung zu senken, sind Zementhersteller in den vergangenen Jahrzehnten dazu übergegangen, sogenannte Ersatzbrennstoffe zu verwenden. Lange Zeit waren das alte Autoreifen, auch im Schelklinger Werk von Heidelberg Materials wurde der Rohstoff für den Brennprozess verwendet. In den vergangenen Jahren hat man begonnen, weitere Brennstoffe zu verwenden. In Schelklingen werden beispielsweise auch BGS, nach Vorgaben aufbereitete Gewerbeund Siedlungsabfälle, verwendet. Rund 2/3 des gesamten Brennstoffes wird bei Heidelberg Materials in Deutschland heute über Ersatzbrennstoffe bereitgestellt.

Orangefarbener rechteckiger Kasten mit Kameras auf dem PYROsmart® steht. Er hängt an technischen Geräten an der Decke über einer Industriehalle. Links davon Rohre und anderes technisches Gerät. Darüber ein grauer Kasten mit T-Aufkleber, Licht und eine Sirene.
PYROsmart® mit angebundenem Löschwerfer in einer Recyclinghalle

Das Problem daran: Bleibt Biomasse aus den Lebensmittelresten im Verpackungsmüll lange Zeit liegen, machen sich Bakterien ans Werk. Im Zersetzungsprozess entsteht Wärme. Bleibt diese unerkannt, droht nach einer gewissen Zeit eine Selbstentzündung. Dann sind nicht nur die Mitarbeitenden vor Ort in Gefahr, die Brände können sich in den Brennstoffen rasend schnell ausbreiten und ganze Hallen zerstören. Der finanzielle Schaden für den Zementhersteller wäre immens.

Deshalb ist im Herstellungsprozess besonders wichtig, dass Brände von vornherein vermieden und im Fall der Fälle schnell und zielgerichtet gelöscht werden können. Eine einfach handhabbare Lösung zu finden, ist in den großen Werkshallen aber oft nicht möglich, zu umfassend sind die Anforderungen in den staubigen und widrigen Umgebungen. Heidelberg Materials verwendet aus diesem Grund die Brandfrüherkennungs-Systeme auf Infrarot-Basis der PYROsmart-Serie des Unternehmens Orglmeister Infrarot-Systeme GmbH & Co. KG aus Walluf bei Wiesbaden, das optimal für die Anforderungen im Zementwerk geeignet ist.

Zementwerk Hof und im Hintergrund runde zwei Silos, rechts daneben ein Turm, davor überdachte Förderbänder und rechts eine Industriehalle.
Der Standort in Schelklingen beherbergt eines der größten Zementwerke von Heidelberg Materials in Deutschland

Panoramathermografiebild durch Infrarot und Video

Orglmeister kombiniert in einem patentierten Verfahren für PYROsmart Infrarotwärmebild und Videotechnik, um so eine umfassende Überwachung von großen Werkshallen in widrigen Umgebungen zu ermöglichen. Denn herkömmliche Rauchansaugsysteme, wie sie in der Industrie häufig zu finden sind, können in staubigen und schmutzigen Hallen schnell versagen.

Durch die hochauflösende Infrarotkamera wird mit der hauseigenen Software abiroVision ein sogenanntes Panoramathermografiebild generiert, das Wärmequellen anzeigt. Diese sogenannte Infrarotthermografie nutzt den Umstand, dass jedes Objekt abhängig von seiner Temperatur InfrarotWellen emittiert. Moderne Kamerasysteme erfassen die Wellen und berechnen daraus die jeweiligen Temperaturen. Die Anlage kennt die Raumgeometrie und ist dadurch in der Lage, gefährdete Bereiche zielgenau zu verorten.

Durch ein Schwenk-/NeigetechnikSystem ist es zudem möglich, sehr große Bereiche zu überwachen. Das ist besonders in den weitläufigen Brennstoffhallen des Zementwerks von großer Wichtigkeit. Durch das Panoramathermografiebild bleiben die Anwender in der Leitstelle des Zementwerks stets informiert. Mittels einer integrierten Druckluftspülung werden die Sensoren dauerhaft freigehalten, was zu erhöhter Sicherheit führt. Heidelberg Materials hat zwei Schwellenwerte definiert: Ab einer gemessenen Temperatur von 80 Grad Celsius erfolgt eine Vorwarnung, ab 90 Grad Celsius wird der Feueralarm ausgelöst, und in der Folge kann kein Brennstoff mehr in den Ofen gefördert werden.

Trotzdem ist nicht jeder erkannte „Hotspot“ tatsächlich eine Gefahr für die Produktion. Denn auch Radlader und LKW verursachen durch den Auspuff Hitze, die jedoch nicht sicherheitskritisch ist. Heidelberg Materials hat deshalb die PYROsmart-Software selbst lernen lassen. Während das bestehende Brandmeldesystem noch aktiv war, hat das neue System mit seiner intelligenten Störgrößenerkennung in einer automatischen Einlernphase die Umgebung beobachtet: Es hat gelernt, ob ein Fahrzeug mit einem heißen Auspuff oder Motor steht oder sich bewegt. Nun wird es automatisch erkannt und folglich als ungefährlich eingestuft. So werden Fehlalarme vermieden, die mit großem finanziellen und personellen Aufwand verbunden wären.

Blick auf eine Wand mit einem Schaltschrank, auf dem ein orangefarbener Aufkleber ist. Rechts und links lauter andere Schalteinheiten, die offen zu sehen sind.
Orglmeister liefert die gesamte Systemtechnik zur sicheren Überwachung, die in einem kleinen Schaltschrank im elektrischen Betriebsraum der Halle untergebracht ist

Zusammenarbeit geht weit zurück

Heidelberg Materials arbeitet bereits seit vielen Jahren mit Orglmeister und dem PYROsmart-System zusammen. Bereits zu Zeiten der Autoreifennutzung ab 2010 war die Lösung schon verwendet worden, mit der Umstellung auf andere Ersatzbrennstoffe ab 2018 wurde eine neue Werkshalle mit der Installation von PYROsmart FS notwendig. Die FS-Serie richtet sich an Anwendungen, wo große Flächen überwacht werden, während das Schwestersystem PYROsmart NS vor allem auf kleinerem Raum und zur Überwachung von Förderbändern zum Einsatz kommt. Aufgrund der sehr guten Erfahrung mit PYROsmart blieb das Schelklinger Werk bei der Lösung. „Von der Bedienung und Technik hat uns Orglmeister überzeugt. Stabilität und gleichzeitig die Schwenk- und Neigetechnik, das erhält man alles in einem“, erklärt Christian Haupt, der für die Elektro- und Automatisierungstechnik im Werk verantwortlich ist.

Zentrale mit Bildschirmen, und Messinstrumenten, die alle unterschiedliche Systeme anzeigen. Vor den Bildschirmen Tastaturen, Mäuse und auch ein Telefon.
Sämtliche PYROsmart-Systeme sind an den zentralen Leitstand des Zementwerks angeschlossen

Hinzu kommt für ihn der schnelle Ersatzteil- und Austauschservice und der stets gute Kontakt mit den Verantwortlichen bei Orglmeister. Seit der Installation der Lösung überwacht PYROsmart zuverlässig. „Wir sind sehr zufrieden und es funktioniert“, meint Haupt. Nach Umstellung des Ersatzbrennstoffes wurde die neue Brennstoffhalle mit dem Brandfrüherkennungssystem ausgestattet, das mit mehreren Kameras den Ersatzbrennstoff überwacht.

Außerdem hat Orglmeister in einer weiteren Brennstoffhalle die Boxen und Schubböden, in denen das Material angeliefert wird, sowie die gesamte Halle ausgestattet. Diese Halle wird im Betrieb nicht betreten, der Umschlag mit einem Portalkran arbeitet vollautomatisch. Deswegen ist dort eine automatische Löschung installiert, um Brände schon in der Entstehungsphase zu verhindern. Zusammen mit dem österreichischen Partnerunternehmen Rosenbauer wurde ein Löschwerfer installiert, den das PYROsmart-System auf Basis der detektierten Hotspots zielgenau und automatisiert ansteuert und löscht.

Eingreifen müssen hat das System unterdessen glücklicherweise noch nicht. „Wenn es brennt, ist es fast schon zu spät“, meint auch Werkleiter Michael Cypra. Denn zwischen der Detektion und dem Eingreifen der Feuerwehr nach wenigen Minuten kann bereits die ganze Halle in Flammen stehen. Das kombinierte System bestehend aus PYROsmart und Löschmonitor kann einen Brand in einer sehr frühen Entstehungsphase erkennen und automatisch löschen. Damit werden teure Betriebsausfälle und Brandschäden verhindert. Es besteht jedoch immer auch die Möglichkeit, die Löschanlage manuell zu betreiben. Daher organisiert Heidelberg Materials die Löschaktivitäten zusätzlich über den hauseigenen zentralen Leitstand, der auf die PYROsmart-Daten zugreift.

Kommt es zum Brand, kann auch der Leitstand über das weitere Vorgehen entscheiden. Dies ist auch wichtig, da die Feuerwehr über den großen Werkskomplex geleitet werden muss. Aus diesem Grund finden regelmäßig Übungen mit der Feuerwehr statt. Zudem können die Mitarbeitenden die Situation in den Hallen dauerhaft auch aus der Ferne beobachten. Löst das System eine Alarmierung aus, werden die Verantwortlichen durch das System im Zentralen Leitstand informiert, sodass schnell gehandelt werden kann.

Zwei untereinander stehende Bilder, jeweils mit Raumaufnahmen und Zoneneinteilungen. Die Bilder zeigen, ob es Hitzeentwicklung im Bereich gibt.
Die Panoramathermografiebilder ermöglichen einen perfekten Überblick

Einsatz auch in anderen Werken

Insgesamt sind in dem Werk in Schelklingen fünf PYROsmart-Systeme und ein Löschwerfer verbaut, die die sichere Zementherstellung gewährleisten und so ein sichereres Arbeitsumfeld auch für die Mitarbeitenden schaffen. Heidelberg Materials betreibt deutschlandweit acht Zementwerke und zwei Mahlwerke, wobei der baden-württembergische Standort in Schelklingen einer der größten ist. „Wir stehen definitiv im Austausch mit anderen Werken“, meint Werksleiter Michael Cypra. Mit PYROsmart hat Heidelberg Materials eine Lösung gefunden, die mittelweile auch an vielen europäischen Standorten zum Einsatz kommt und die aufgrund ihrer bereiten Anwendbarkeit flexibel einsetzbar ist und darüber hinaus auf die speziellen Bedürfnisse der Zementindustrie abgestimmt ist.

Über Orgelmeister

Das 1993 gegründete Unternehmen ORGLMEISTER Infrarot-Systeme GmbH & Co. KG ist als Spezialist für Infrarot-Thermografie auf die Entwicklung und die Umsetzung von Brandfrüherkennungs-Systemen spezialisiert. Das dynamisch wachsende Unternehmen mit Firmensitz in Walluf bei Wiesbaden verfügt über ein Entwickler-Team mit langjährigem Know-how im Bereich der Infrarot-Automatisierung, das hochqualitative und innovative Lösungen auf dem neusten Stand der Technik entwickelt.

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